Dienstag, 26. April 2011

"Von der Nato nichts zu sehen..." - Trauer um Tim Hetherington und Chris Hondros

ZentriertIn Gedenken an
Tim Hetherington & Chris Hondros
getötet in Libyen am 20.04.2011
Photo: Odd Andersen


"Sie zeigten der Welt die Grausamkeiten des Kriegs - und haben dabei ihr Leben gelassen: Die preisgekrönten Fotografen Tim Hetherington und Chris Hondros starben in der umkämpften libyschen Stadt Misrata. Weggefährten erinnern an ihr Talent und ihre Hingabe an einen lebensgefährlichen Beruf.

Misrata/New York/London - Der Brite Tim Hetherington und der Amerikaner Chris Hondros waren mehrfach ausgezeichnete, erfahrene Kriegsfotografen. Doch die heftigen Kämpfe in der libyschen Stadt Misurata haben sie nicht überlebt. Sie starben bei einem Mörserangriff - beide wurden nur 41 Jahre alt. Freunde, Bekannte und Verwandte sind bestürzt.

Hetherington hatte unter anderem aus afrikanischen Ländern wie dem Tschad, Liberia und Darfur berichtet. Gemeinsam mit dem deutschstämmigen Journalisten Sebastian Junger drehte er zudem den Film " Restrepo" über den Tod des amerikanischen Armeesanitäters Juan Restrepo in Afghanistan. Dafür war er Anfang des Jahres für den Oscar nominiert worden.

Junger zeigte sich erschüttert über die Nachricht von Hetheringtons Tod. "Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr mich der Tod meines lieben Freundes Tim Hetherington niederschmettert und bekümmert", schreibt er auf seiner Web-Seite. "Tim war einer der mutigsten und charakterfestesten Journalisten, die ich jemals gekannt habe. Das Gute, das er getan hat - mit seiner Kamera und einfach als Person, die sich einiger der verwüsteten Länder der Welt angenommen hat - kann nicht ermessen werden. Ich kann nicht glauben, dass er wirklich von uns gegangen ist."

Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, für die Hetherington etwa Gewaltexzesse in Darfur dokumentiert hat, ehrte ihn als "einen brillanten Fotografen und Filmemacher". "Tim Hetherington war viel mehr als ein Kriegsreporter", sagte der Leiter der Organisation, Kenneth Roth. "Er hatte ein außergewöhnliches Talent und dokumentierte in mitfühlenden und schönen Bildern die menschlichen Geschichten hinter den Überschriften." Seine Arbeit habe die Aufmerksamkeit auf viele Konflikte gelenkt, die von der Welt vergessen seien. Mitarbeiter von Human Rights Watch beschrieben Hetherington als "warmen, lebhaften und sehr angenehmen Freund".

"Dann erklärten sie ihn für tot"

"Wir werden ihn vermissen", schreib Hetheringtons Familie in einer kurzen Erklärung. Der Fotograf habe an einem Multimedia-Projekt für die Zeitschrift "Vanity Fair" gearbeitet. Auch der Chefredakteur des Magazins zeigte sich erschüttert über den Tod des Kollegen in der umkämpften Stadt. "Aber er lebte dafür. Diese Dinge entmutigten ihn nicht. Sie belebten ihn, und sie haben sein Leben genommen."

Hetherington und Hondros waren gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen unterwegs: den Fotografen Guy Martin und Michael Brown. Sie wurden bei der Attacke verletzt. Einem Arzt zufolge ist der Zustand von Martin noch nicht stabil, er hatte wegen einer Bauchwunde stark geblutet. Browns Leben sei nicht gefährdet, wenngleich er an der Schulter operiert werden musste. Die Journalisten hatten offenbar eine Gruppe Rebellen in der Nähe der Frontlinie begleitet. Misurata wird seit Wochen von Truppen des Gaddafi-Regimes belagert. Immer wieder gerät die Stadt unter Beschuss.

Der Journalist André Liohn beobachtete die Attacke auf die Fotografen. Lionh sagte der "New York Times", Hetherington habe bei dem Angriff viel Blut verloren. Eine Viertelstunde hätten Ärzte versucht, ihn wiederzubeleben. "Dann erklärten sie ihn für tot."

Tim Hetherington wenige Stunden vor seinem Tod in Misrata/Quelle:Spiegel

Gedenken an einen mutigen Freund

Sein Kollege Hondros wurde schwer am Kopf verletzt. Er war nach dem Angriff bewusstlos, zweimal sei er wiederbelebt worden, berichtete Lionh. Doch kurz nach 22 Uhr sei er gestorben.

Hondros hinterlässt einen dreijährigen Sohn, offenbar wollte er bald heiraten. Seit gut 20 Jahren berichtete er von den Krisengebieten der Welt, seine Fotoreportagen erschienen etwa in der "New York Times", der "Washington Post" und dem "Economist". Der 41-Jährige hatte nach eigenen Angaben deutsche Wurzeln, seine Eltern kommen aus Deutschland und Griechenland. Der New Yorker erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine Aufnahmen, unter anderem war er 2004 für den Pulitzer-Preis nominiert, 2006 gewann er mit der Robert Capa Gold Medal einen der wichtigsten Fotografiepreise für Reportagen.

Die "New York Times" hat eine Auswahl seiner besten Bilder zusammengestellt - die Galerie reicht von Fotos der Kamele auf dem ägyptischen Tahrir-Platz über ein weinendes Kind im Irak bis zu brutalen Gefechtsbildern in Liberia.

Kollegen erinnern sich in einem Blog-Eintrag der Zeitung an Hondros als einen ausgeglichenen, freundlichen Menschen. "Er wusste mehr über klassische Musik als jeder andere, den ich kenne", sagt der Fotojournalist Chip East. "Er kannte jeden Takt jeder Symphonie, jeder Oper."

Auch der Fotograf Tyler Hicks, der oft mit ihm zusammengearbeitet hatte, erinnerte an Hondros: "Chris hat in seinem eigenen Leben Opfer gebracht, um der Öffentlichkeit die Härten des Kriegs zu zeigen, und diese Hingabe hat preisgekrönte Fotografien hervorgebracht, die den Blick vieler Menschen auf die Welt beeinflusst haben." Fast 20 Jahre sei Hondros ihm ein guter Freund gewesen. "Ich bin dankbar, zu denen zu gehören, die das Glück hatten, ihn gekannt zu haben."

"Chris ist niemals vor der Frontlinie zurückgeschreckt, er hat im Lauf seiner bedeutenden Karriere über die größten Konflikte dieser Welt berichtet, und seine Arbeit in Libyen war keine Ausnahme", schrieb Hondros' Auftraggeber Getty Images über seinen Tod. "Er wird schmerzlich vermisst werden." ( Quelle:Spiegel sowie gut ausgewählte Fotostrecke)

Chris Hondros am 18.04.2011 in Libyen/Getty Image

"Hetherington and Hondros went to Misrata to document scenes of appalling suffering. Rebels and government forces pounded each other with mortars and rocket-propelled grenades. Hundreds of civilians had died in the crossfire. But, in a world with an ever-shortening attention span, few seemed to be taking notice. Shortly after arriving by boat, Hetherington wrote in his last tweet, on April 19: “In besieged Libyan city of Misrata. Indiscriminate shelling by Gaddafi forces. No sign of NATO.” The next day they traveled to Tripoli Street, at the front lines of the battle. During an intense firefight a rocket-propelled grenade hit nearby, spraying lethal shrapnel. Hetherington died soon after. “He had lost a lot of blood. The doctors, they tried to reanimate him for about 15 minutes, but no,” says photographer André Liohn, who was with them. Shards of shrapnel struck Hondros’s forehead and burrowed through his brain. He went into a coma and died overnight. On April 21 the Iona Spirit carried their bodies back to Benghazi, where they were memorialized by other journalists and Libyans in a candlelight ceremony."

Please read full article:
- The last witnesses/Newsweek 25.04.2011

Photo work of Tim Hetherington & Chris Hondros can be found at:
- New York Times Lens
- Parting glance Chris Hondros
- Parting glance Tim Hetherington

-A Collection of Tim Hetherington's Work A Collection of Chris Hondros's Work "Since 1992, 861 journalists have been killed in the field, according to the Committee to Protect Journalists. The worst years were 2006 and 2007, when more than 200 journalists died, most of them in Iraq. ...Of the 21 media deaths so far this year, almost half were photographers or cameramen, many of them freelancers." (from: "The Last Witnesses")

1 Kommentar:

  1. Der Tod der beiden Journalisten hat mich sehr erschüttert, zum einen waren sie mir keine Unbekannten, wer wie ich so viel in Fotoarchiven und aktuellen Meldungen herumschaut, kann gar nicht anders, als auch auf diese beiden zu stoßen.Das Kamelfoto vom Tharir Platz am 12. Februar diesen Jahres in Ägypten ist nur ein kleines Beispiel.Oder der vor Erschöpfung eingeschlafene Feuerwehrmann während der Suche am WTC (beide Fotos Chris Hondros...bitte wirklich mal mit Ruhe die Fotolinks anschauen!).

    Auch wenn beide um das Risiko ihrer Arbeit wussten, es starben 2 Männer im Alter von gerade mal etwas über 40 Jahren. Die Situation für Fotografen in Krisengebieten ist schwieriger geworden, der Wetbewerb größer, viele müssen freiberuflich arbeiten, da es heutzutage kaum noch feste Verträge gibt.

    Es ist das Verdienst solcher Fotografen wie Hetherington und Hondros, dass das Konfliktpotential in einem Krisen-und Kriegsgebiet nach einer gewissen Zeit nicht völlig in der Ermüdung untergeht,die Meldungen alleine können und wollen manchmal auch gar nicht mehr begriffen werden angesichts von sich oftmals Jahre hinziehendem Leid und Elend.

    Die Hoffnung, dass die dahinterliegende Botschaft auf ein Ende solcher Konflikte bei denen ankommt, die sie verursacht haben, ist wohl naiv, dennoch wünschte ich mir zur Zeit nichts mehr als ein Ende von Krieg und Zerstörung. Allen voran in Libyen.

    Tim Hetherington und Chris Hondros...RIP!

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