Mittwoch, 14. November 2012

Commemoration and Vandalism: Stolpersteine....Stumbling blocks


Am Jahrestag der Pogromnacht am 9.November haben Unbekannte in Greifswald alle im Stadtgebiet verlegten Stolpersteine aus dem Straßenpflaster gebrochen. Die insgesamt elf Gedenksteine waren in den vergangenen Jahren vom Kölner Künstler Günter Demnig entworfen und an zahlreichen Stellen in der Stadt in die Fußwege eingelassen worden. Die Steine erinnern an die während des Nationalsozialismus deportierten und getöteten Juden.-
 
 On the anniversary of the pogrom night on November 9, strangers in Greifswald broke all the stumbling blocks laid in the city area from the pavement. The total of eleven memorial stones had been designed by the Cologne artist Günter Demnig in recent years and set into the footpaths in numerous places in the city. The stones commemorate the Jews who were deported and killed during National Socialism.
 
 




Es sind bescheidene Hingucker: die quadratischen, knapp zehn mal zehn Zentimeter großen Steine aus Messing - eingelassen in den Gehwegenzwischen finden sich die Steine in 650 Städten in Deutschland, etwa 35.000 sind es insgesamt, einige davon auch in europäischen Nachbarstaaten.
 
 They are modest eye-catchers: the square, almost ten by ten centimeter brass stones - embedded in the sidewalk: the stones can now be found in 650 cities in Germany, about 35,000 in total, some of them also in neighboring European countries.
 
The artist and founder of the project, Gunter Demnig
 
  "Wenn Sie den Namen einer einzelnen Person lesen, ihr Alter berechnen und sich ihr letztes Zuhause ansehen, hat der Schrecken ein Gesicht."
 
"When you read the name of an individual person, calculate his/her age and look at his/her last home, then the horror has a face."
 
Einer der gestohlenen elf Greifswalder Stolpersteine  -
 one of the eleven stolen Stolpersteine in Greifswald
 
Zum Projekt Stolpersteine:
 
Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Mit im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln, sogenannten Stolpersteinen, soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus (NS-Zeit) verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Die quadratischen Messingtafeln mit abgerundeten Ecken und Kanten sind mit von Hand mittels Hammer und Schlagbuchstaben eingeschlagenen Lettern beschriftet und werden von einem angegossenen Betonwürfel mit einer Kantenlänge von 96 × 96 und einer Höhe von 100 Millimetern getragen. Sie werden meist vor den letzten frei gewählten Wohnhäusern der NS-Opfer niveaugleich in das Pflaster bzw. den Belag des jeweiligen Gehwegs eingelassen.  
 
Die Mehrheit der Stolpersteine ​​erinnert an jüdische Opfer des Holocaust. Andere wurden für Sinti und Roma (damals auch "Zigeuner" genannt), Homosexuelle, körperlich oder geistig behinderte Menschen, Zeugen Jehavas, Schwarze, Mitglieder der Kommunistischen Partei, der Sozialdemokratischen Partei und des Anti-Nazi-Widerstands eingesetzt. die christliche Opposition (sowohl Protestanten als auch Katholiken) und Freimaurer, zusammen mit Soldaten der Internationalen Brigade im spanischen Bürgerkrieg, militärische Deserteure, gewissenhafte, Fluchthelfer, Kapitulatoren, "Gewohnheitsverbrecher", Plünderer und andere, die wegen Verrats, militärischem Ungehorsam angeklagt waren, oder das nationalsozialistische Militär sowie alliierte Soldaten untergraben haben sollen.

Demnigs Intention ist unter anderem, den NS-Opfern, die in den Konzentrationslagern  zu Nummern degradiert wurden, ihre Namen zurückzugeben. Das Bücken, um die Texte auf den Stolpersteinen zu lesen, soll eine symbolische Verbeugung vor den Opfern sein. Mit der Markierung der „Tatorte von Deportationen“, die häufig mitten in dichtbesiedelten Bereichen liegen, wird gleichzeitig die von einigen Zeitzeugen vorgebrachte Schutzbehauptung, nichts von den Deportationen bemerkt zu haben, in Frage gestellt.

Demnig kritisierte seinerseits das Konzept zentraler Gedenkstätten für die Opfer, die seiner Meinung nach in der Öffentlichkeit nicht ausreichend sichtbar seien. An solchen Mahnorten werde einmal im Jahr von Honoratioren ein Kranz niedergelegt, „… aber andere können die Mahnmale einfach umgehen.“ Sein Ziel sei es, die Namen der Opfer zurück an die Orte ihres Lebens zu bringen. Trotz des Begriffs Stolpersteine geht es Demnig nicht um tatsächliches „Stolpern“. Er zitiert auf die Frage nach dem Namen des Projektes gern einen Schüler, der nach der Stolpergefahr gefragt antwortete: „Nein, nein, man stolpert nicht und fällt hin, man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen.“

Der Name des Stolpersteine-Projekts ruft mehrere Anspielungen hervor. Im nationalsozialistischen Deutschland lautete das antisemitische Sprichwort, als man versehentlich über einen hervorstehenden Stein stolperte: "Hier muss ein Jude begraben werden". Im übertragenen Sinne kann der deutsche Begriff Stolperstein "potentielles Problem" bedeuten. Der Begriff "über etwas stolpern" kann auf Deutsch und Englisch auch "herausfinden (durch Zufall)" bedeuten. Der Begriff ruft also provokativ eine antisemitische Bemerkung der Vergangenheit hervor, beabsichtigt aber gleichzeitig, Gedanken über ein ernstes Problem zu provozieren. 

Stolpersteine ​​sind nicht prominent platziert, sondern werden zufällig entdeckt, nur im Vorbeigehen aus nächster Nähe erkennbar. Im Gegensatz zu zentralen Gedenkstätten, die laut Demnig leicht zu vermeiden oder zu umgehen sind, ist Stolpersteine ​​ein viel tieferes Eindringen der Erinnerung in den Alltag. Stolpersteine ​​werden direkt in den Bürgersteig gelegt. Wenn jüdische Friedhöfe im gesamten nationalsozialistischen Deutschland zerstört wurden, wurden die Grabsteine ​​oft als Pflastersteine ​​für Bürgersteige verwendet. Die Entweihung der Erinnerung an die Toten war implizit beabsichtigt, da die Menschen auf den Grabsteinen gehen und auf den Inschriften treten mussten. Die Stolpersteine ​​deuten provokativ auf diesen Akt der Entweihung hin, da ihnen jede Art von Verteidigung gegen neue Schamakte fehlt. 

In den Jahren 2001 bis 2011 kam es laut Demnig bundesweit in insgesamt 700 Fällen zu teilweise rechtsextrem motivierten Schmierereien und anderen Formen von Vandalismus gegen die bis dahin über 30.000 verlegten Stolpersteine. Manche dieser Beschädigungen werden in rechtsextremen Medien auf hämische Weise kommentiert.

Deutschlandweit werden auch immer wieder Stolpersteine herausgerissen. So wurden 2012 in Greifswald vor dem Jahrestag der Reichsprogromnacht alle Steine aus dem Pflaster entfernt.
 
Nachforschungen über zukünftige Stolperstein-Standorte werden in der Regel von örtlichen Schulkindern und ihren Lehrern, Angehörigen der Opfer oder örtlichen Geschichtsorganisationen durchgeführt. 
 
About the project Stolpersteine:

The Stolpersteine project, initiated by the German artist Gunter Demnig in 1992, aims to commemorate individuals at exactly the last place of residency—or, sometimes, work—which was freely chosen by the person before he or she fell victim to Nazi terror, euthanasia, eugenics, deportation to a concentration or extermination, or escaped persecution by emigration or suicide. As of December 2019, 75,000 Stolpersteine have been laid, making the Stolpersteine project the world's largest decentralized memorial.

The majority of Stolpersteine commemorate Jewish victims  the Holocaust. Others have been placed for Sinti and Romani People (then also called "gypsies"), homosexuals, the physically or mentally disabled, Jehava's Witnesses, black people, members of the Communist Party, the Social Democratic Party, and the anti-Nazi Resistance, the Christian opposition (both Protestants and Catholics), and Freemasons , along with International Brigade soldiers in the Spanish Civil War, military deserters, conscientious , escape helpers, capitulators, "habitual criminals", looters, and others charged with treason, military disobedience, or undermining the Nazi military, as well as Allied soldiers. 

The name of the Stolpersteine project invokes multiple allusions. In Nazi Germany, antisemitic    saying, when accidentally stumbling over a protruding stone, was: "A Jew must be buried here". In a metaphorical sense, the German term Stolperstein can mean "potential problem". The term "to stumble across something", in German and English, can also mean "to find out (by chance)". Thus, the term provocatively invokes an antisemitic remark of the past, but at the same time intends to provoke thoughts about a serious issue. Stolpersteine are not placed prominently, but are rather discovered by chance, only recognizable when passing by at close distance. In contrast to central memorial places, which according to Demnig can be easily avoided or bypassed, Stolpersteine represent a much deeper intrusion of memory into everyday life.

Stolpersteine are placed right into the pavement. When Jewish cemeteries were destroyed throughout Nazi Germany, the gravestones were often repurposed as sidewalk paving stones. The desecration of the memory of the dead was implicitly intended, as people had to walk on the gravestones and tread on the inscriptions. The Stolpersteine provocatively hint at this act of desecration, as they lack any kind of defense against new acts of shame. While the art project thus intends to keep alive the memory, implying that improper acts could easily happen again, the intentional lack of defense against potential desecration also created criticism and concern. Some German cities like Munich still do not accept the setting of Stolpersteine, and look for alternative ways of commemoration instead.

Demnig's intention is, among others, to return their names to the Nazi victims, who were degraded to numbers in the concentration camps. Bending down to read the texts on the stumbling blocks should be a symbolic bow to the victims. By marking the “crime scenes of deportations”, which are often located in the middle of densely populated areas, the protective claim made by some contemporary witnesses that they did not notice anything about the deportations is questioned.

For his part, Demnig criticized the concept of central memorials for the victims, which in his opinion were not sufficiently visible to the public. Once a year dignitaries lay a wreath at such memorial sites, "... but others can simply bypass the memorials." His aim is to bring the names of the victims back to the places where they lived. 

Despite the term stumbling blocks, Demnig is not actually about "stumbling". When asked about the name of the project, he likes to quote a student who, when asked about the risk of stumbling, replied: "No, no, you don't stumble and fall, you stumble with your head and your heart." 

Between 2001 and 2011, according to Demnig, there were 700 cases nationwide, in some cases right-wing extremist graffiti and other forms of vandalism against the more than 30,000 stumbling blocks that had been laid. Some of this damage is maliciously commented on in right-wing extremist media. Stumbling blocks are repeatedly torn out across Germany. In 2012, all eleven stones were removed from the pavement in Greifswald before the anniversary of the Reichsprogromnacht.  

Research about future Stolperstein locations is usually done by local school children and their teachers, victims' relatives, or local history organizations.

 

 Photo:Axel Mauruszat

 

Update:

Am 29. Dezember 2019 verlegte Demnig in Memmingen den 75.000sten Stolperstein.

Stolpersteine wurden in Deutschland wie auch in 25 weiteren europäischen Ländern verlegt. Sie gelten als das größte dezentrale Mahnmal der Welt.

2017 verschwanden in Berlin-Neukölln zwölf Steine.Zu Jahresbeginn 2017 wurden in Dresden Stolpersteine mit den Namen von Deutschen überklebt, die dort während der Luftangriffe der Alliierten  ums Leben gekommen waren.

On December 29, 2019, Demnig laid the 75,000th Stolperstein in Memmingen.  

Stumbling blocks were laid in Germany as well as in 25 other European countries. They are considered to be the largest decentralized memorial in the world. 

In 2017, twelve stones disappeared in Berlin-Neukölln. At the beginning of 2017, stumbling blocks with the names of Germans who died there during the Allied air raids were pasted over in Dresden.


Source:
- Greifswald: Stolpersteine heraus gerissen/ Merkur Online 09.11.2012
- Wer stolpert, denkt nach/NDR11.06.2012
 


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