Zur frühen Besiedelungsgeschichte von Chagos
1783 erhielt ein einflussreicher Zucker- und Kokosplantagenbesitzer aus Mauritius, damals Ile de France, von der damaligen frz.Kolonialmacht eine Konzession, um auf der unbewohnten Insel Diego Garcia eine Kokosplantage zu errichten. Ein Jahr darauf brachte ein Schiff 79 mosambikanische und madagassische Sklaven, einige qualifizierte freie schwarze Arbeiter und Baumaterialien für die Plantage auf die Insel. 1790–1810 wurden drei weitere Kokosplantagen und eine – ebenfalls mit Sklavenarbeit betriebene – Fischereisiedlung errichtet. Auch auf anderen Inseln des Chagos-Archipels wurden Plantagen aufgebaut und Sklaven importiert.
Anfang des 19. Jahrhunderts kam der Chagos-Archipel unter brit.Kolonialherrschaft und wurde an die Kolonie Mauritius angeschlossen. 1826 bestand die Bevölkerung aus 375 Sklaven, neun Weißen, 22 freien Farbigen und 42 Leprakranken.Die meisten Chagossianer wanderten nach der Abschaffung der Sklaverei 1835 als Fischer, Bauern und Kokosplantagenarbeiter ein. Vor allem Kontraktarbeiter aus Indien kamen auf die Inseln und vermischten sich mit der bereits ansässigen Bevölkerung, die großenteils zum Katholizismus konvertierte. Bis 1880 war die Einwohnerzahl des Chagos-Archipels auf etwa 760 angewachsen.(Im Vergleich Rodrigues: 1431/im Jahr 1881)
Von der Außenwelt waren die Chagossianer weitgehend abgeschnitten, da gerade 2-3mal im Jahr reguläre Schiffsverbindungen bestanden, die Vorräte brachten, Einwohner und Einwanderer transportierten und Kopra und Kokosöl für den Verkauf in Mauritius mitnahmen. Dies änderte sich für wenige Jahre, als 1882 auf Diego Garcia eine Bekohlungsstation für Dampfschifffahrtslinien durch den Indischen Ozean gebaut wurde. Bis 1888 kamen so weitere Arbeiter aus Somalia, England, Griechenland und Italien, und regelmäßig legten Schiffe aus Australien und Europa an. Als die Station wegen finanzieller Probleme Ende der 1880er Jahre geschlossen wurde, kehrten die Chagos-Inseln zu ihrer Isolation zurück.
1968 wurde Mauritius unabhängig, während die Chagos-Inseln zum Britischen Territorium im Indischen Ozean wurden. Im darauffolgenden Jahr verpachtete Großbritannien den Archipel für 50 Jahre an die USA, die auf Diego Garcia einen Militärstützpunkt errichteten. Hierzu wurden die Inseln zum Sperrgebiet erklärt und die damals 1500 bis 2000 Chagossianer (450–500 Familien) 1967–1973 nach Mauritius und auf die Seychellen zwangsumgesiedelt. In Mauritius fanden die Umgesiedelten oftmals prekäre Lebensbedingungen vor. Heute leben dort unterschiedlichen Angaben zufolge 5000 bis 8000 Menschen chagossianischer Abstammung hauptsächlich in Slums bei Port Louis. Weitere leben in Großbritannien oder auf den Seychellen.
Eine Gruppe von ca. 100 Chagossianern wurde im April 2006 nach rund 40 Jahren aus humanitären Gründen ein Besuch ihrer Heimat nach 40 Jahren gestattet
Bis heute kämpfen die Chagossianer vor britischen Gerichten für ihr Recht auf Rückkehr. Im Jahr 2000 gab ihnen ein britisches Gericht Recht, was aber folgenlos blieb. 2002 unterzeichnete Außenminister Jack Straw ein Dokument, mit dem den Chagossianern die britische Staatsangehörigkeit erteilt wird. 2003 entschied der High Court in einem kontroversen Urteil, dass den Chagossianern keinerlei Entschädigung von Großbritannien zustehe. Im Jahr 2004 erließ die Königin Elisabeth II. eine Order-in-Council, die die Chagossianer aus ihrer Heimat verbannt. Im Mai 2006 erklärte das High Court of Justice diese Order-in-Council aber für rechtswidrig. Dies wiederum wurde von der Regierung angefochten und an das Appellationsgericht (Court of Appeal) weitergezogen. Im Februar 2007 drohte der Präsident von Mauritius, aus Protest gegen die „barbarische“ Behandlung der Chagossianer aus dem Commonwealth auszutreten. Im Mai 2007 entschied der Court of Appeal zugunsten der Chagossianer. Die Regierung appellierte weiter an das House of Lords, das 2008 gegen die Chagossianer entschied. Dagegen wurde Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhoben.
Im April 2006 konnte eine Gruppe von 100 Chagossianern auf Kosten des British Foreign Office den Chagos-Archipel besuchen.Der Pachtvertrag mit den USA über den Chagos-Archipel läuft 2016 aus.(Quelle)
Rodrigues hat ein besonders intensives Verhältnis zu Chagos und den Ereignissen um die Zwangsumsiedlung vor mehr als 40 Jahren, die in dem folgenden TAZ-Artikel von 2009 so gut wiedergegeben sind, dass ich mir spare selbst etwas zu schreiben über mein Gespräch mit Olivier Boncoult fast auf den Tag genau vor 4 Jahren, als er mit seiner Chagos Refugee Gruppe unserer Insel einen Besuch abstattete.
Kurze Randnotiz:Was viele nicht wissen,Chagos war ursprünglich nicht ausersehen gewesen für die Isolierung von Leprakranken, bereits um 1800 zu Zeiten Maragons auf Rodrigues, gab es das Vorhaben, alle rodriguischen Bewohner nach Mauritius umzusiedeln um Leprakranke hierher zu bringen.Dieses Vorhaben raubte Marragon den Schlaf und führte 1804 zum ersten Zensus in Rodrigues.Verlassene Kirche auf der früher bewohnten Boddam Island auf dem Salomon Atoll
Bewohner der Chagos-Inseln -
Vertrieben aus dem Paradies
In den Sechzigerjahren wurden die Bewohner der
Chagos-Inseln von den Briten aus ihrer Heimat verscheucht. Jetzt kämpfen
sie für ihre späte Anerkennung.
Vor einem britischen Gericht hat Olivier Bancoult bereits mit dem Anliegen der Chagossianer verloren, auf ihre Inseln zurückkehren zu können. Bild: ap
An seine Kindheit im Paradies hat Olivier Bancoult
eine besonders intensive Erinnerung. "Ich höre immer noch den Klang der
Kolraba, unserer traditionellen Trommel, die mein Vater mir geschenkt
hat, als ich klein war." Das Instrument liegt bis heute in der Hütte der
Bancoults auf Peros Banhos, einer der 65 Chagos-Inseln, die zwischen
den Malediven und Mauritius mitten im Indischen Ozean liegen. "Meine
Eltern sind damals, 1968, überstürzt aufgebrochen, weil meine Schwester
dringend zur Behandlung ins Krankenhaus auf Mauritius musste", erzählt
Bancoult heute in Port Louis, der mauritischen Hauptstadt. Olivier war
da gerade vier Jahre alt. "Sie haben alles zurückgelassen, sie dachten
ja, wir kommen wieder." Doch weder Olivier noch seine Eltern und
Geschwister haben ihre Heimat seitdem wiedergesehen.
School
Wer auf den Chagos-Inseln gelebt hat,
der erinnert sich an unbeschwerte Tage. Wellen schlugen in die sanft
geschwungene Bucht aus strahlend weißem Sand, in der Ferne blitzten
Korallenriffe. Fische gab es im Überfluss, und an Land spendeten
Kokospalmen Schatten und Früchte, die die Bewohner nur vom Boden
auflesen mussten. Doch dieses Paradies ist verloren gegangen. Seine
Bewohner wurden von den Chagos-Inseln vertrieben. Verantwortlich dafür
ist ein anderes Inselreich im Nordwesten Europas - das Vereinigte
Königreich.
Olivier Bancoults Schicksal, das einige
tausend andere Chagossianer ganz ähnlich erlitten haben, ist die
Geschichte einer zunächst geleugneten und dann verdrängten Vertreibung
eines ganzen Volkes. Sie beginnt zu britischen Kolonialzeiten Anfang der
Sechzigerjahre, als die Chagos-Inseln noch zu Mauritius gehörten. Wer
damals auf einer der gut sechzig Inseln lebte und zum Arzt gehen musste
oder Werkzeuge kaufen wollte, der fuhr mit dem Schiff nach Mauritius,
denn auf dem entlegenen Archipel gab es solche Angebote nicht. Die
Chagossianer blieben für ein paar Wochen auf Mauritius, dann fuhren sie
wieder zurück nach Hause.
Doch im Frühjahr 1968, Mauritius war
gerade unabhängig geworden, war auf einmal alles anders. "Als meine
Eltern nach der Behandlung meiner Schwester die Schiffsreise zurück
buchen wollten, teilte ihnen der Zahlmeister mit, das sei unmöglich",
erzählt Bancoult. "Eure Inseln sind verkauft worden, erwiderte er, "an
die USA, die bauen da eine Militärbasis."
Dieses Militärareal auf Diego Garcia,
der größten Chagos-Insel mit einem weltweit einmaligen Naturhafen, ist
heute einer der größten US-Militärstützpunkte der Welt. Von der
strategisch günstig gelegenen Insel werden Luftangriffe auf Afghanistan,
den Irak und Pakistan geflogen. Lindsey Collen, eine auf Mauritius
lebende Schriftstellerin und Frauenrechtlerin, hat die Vorgeschichte der
Militärbasis ausgiebig untersucht. Dokumente, die jahrzehntelang in
Archiven verstaubten, sowie persönliche Gespräche belegten, wie die
Vereinigten Staaten und die Briten Anfang der Sechzigerjahre einen Plan
schmiedeten, der aus einem Agentenroman stammen könnte, erzählt Collen.
"Die USA wollten unbedingt eine unbewohnte Insel im Indischen Ozean
haben, um von dort aus den Mittleren Osten und die Ölrouten
kontrollieren zu können."
Diego Garcia
Die Amerikaner bereiteten ihre Pläne
mitten im Kalten Krieg vor. Vorauskommandos der US-Armee schauten sich
mehrere britische Kolonialinseln an und entschieden, Diego Garcia sei am
besten geeignet. "Da haben die Briten gesagt: Kein Problem, wir gründen
einfach eine neue Kolonie, die wir Mauritius nicht mit in die
Unabhängigkeit geben", sagt die Schriftstellerin. Der mauritischen
Regierung im Wartestand setzten die Briten ein Ultimatum: Entweder kommt
schnell die Unabhängigkeit ohne die Chagos-Inseln - oder es gibt gar
keine Unabhängigkeit. "Das war nicht einfach nur illegal, sondern
verstieß eindeutig gegen die UN-Charta", ärgert sich Lindsey Collen
heute noch. Letztendlich setzten sich die Briten durch.
1965 wehte über den Chagos-Inseln
erstmals die Flagge der "Britischen Territorien im Indischen Ozean". Das
tut sie noch heute. Die Insel Diego Garcia wurde kurz danach wie
vereinbart an die USA verpachtet, für zunächst fünfzig Jahre. In einem
Brief an die Regierung des Vereinigten Königreichs in London forderte
die US-Armeeführung, die Insel sei zu "räumen und danach zu säubern".
Kurzerhand kappten die Briten alle Versorgungsfahrten zu den
Chagos-Inseln. Wie Olivier Bancoults Familie strandeten viele ungewollt
auf Mauritius, andere flohen.
"Den Sturköpfen, die zum Schluss noch da
waren, setzten sie ein Fanal", berichtet Collen. "Hunde, die auf Diego
Garcia praktisch zur Familie gehörten, wurden zusammengetrieben und vor
den Augen der Bevölkerung vergast." Von nun an ging die Angst bei den
verbliebenen Chagossianern um: Wenn wir bleiben, könnte das Gleiche mit
uns passieren. Unterdessen versicherten britische Diplomaten am Sitz der
Vereinten Nationen in New York, die Inseln seien unbewohnt. Eine Lüge,
die London noch jahrzehntelang aufrechterhielt.
Tatsächlich erlebten die Menschen aus
Chagos eine Vertreibung: Schiffe nahmen sie an Bord, und dort hausten
die Bewohner des paradiesischen Eilands wochenlang im Frachtraum, wo sie
auf einer Ladung von Vogelexkrementen, einem Düngemittel, schlafen
mussten. Viele starben auf der Reise, vor allem Kinder. Auf Mauritius
ging es den Überlebenden kaum besser, erinnert sich Olivier Bancoult:
"Ich bin wie die meisten in absoluter Armut aufgewachsen, es ist ein
Wunder, dass ich eine Schulausbildung bekommen habe."
Die meisten dieser
Menschen lebten und leben bis heute in den ärmsten Vierteln von Port
Louis. Die wenigen Häuser, die die mauritische Regierung den
orientierungslosen Insulanern anbot, waren bei Unruhen kurz zuvor
weitgehend zerstört worden und dienten als Ziegenställe. Es gab kein
Wasser, keinen Strom, keine Toiletten. Was den Neuankömmlingen blieb,
waren winzige Wohneinheiten in den Häusern. Die 14-köpfige Familie
Bancoult hatte nur ein Schlafzimmer. Nach einem ausgeklügelten
Schichtplan organisierten sie die Schlafenszeiten, weil nicht für alle
gleichzeitig Platz vorhanden war.
"Wir kamen von einer Insel, wo wir alle
in Frieden lebten und niemand Not litt", erinnert sich Bancoult an seine
Kindheit. "Auf Mauritius gab es dann kein Geld, keine Häuser und keine
Jobs für uns, keine Chance, ein besseres Leben zu führen. Stattdessen
gab es auf einmal Drogen, Alkohol, Prostitution."
In den ersten Jahren nach ihrer Ankunft
und dem Schock starben die meisten Chagossianer. Bancoults Vater erlitt
noch am selben Tag im Hafen einen Schlaganfall, an dem ihm der
Zahlmeister offenbart hatte, er könne nicht nach Hause zurückkehren.
Zwei Jahre lang dämmerte er mit gelähmtem Oberkörper vor sich hin, bevor
er starb. Zwei von Olivier Bancoults Brüdern soffen sich zu Tode, ein
dritter starb an Herzversagen. Bancoults Schwester beging Selbstmord,
wie auch andere Vertriebene. "Sie alle sind an der Trauer gestorben,
ihre Heimat verloren zu haben."
Als einer der wenigen Chagossianer, der
lesen und schreiben kann, hat Bancoult die Rückkehr auf die
Chagos-Inseln zu seiner Lebensaufgabe gemacht. Das hat er seiner
kämpferischen Mutter Rita versprochen, die Anfang der Siebzigerjahre die
ersten Proteste vor der britischen Botschaft in Port Louis
organisierte. "Da ging es um unsere Anerkennung", berichtet Bancoult,
heute noch empört. "Die Briten behaupteten ja, es gäbe uns nicht, wir
wären Gastarbeiter, obwohl meine Familie schon in vierter Generation auf
Peros Banhos lebte." Als die Bilder der gewaltsam niedergeschlagenen
Proteste London erreichten, änderte die britische Regierung allmählich
ihre Politik. Als Bewohner einer Inselgruppe, die direkt der britischen
Krone untersteht, bekamen die Chagossianer schließlich britische Pässe.
Und damit auch Zugang zur britischen Gerichtsbarkeit.
Im Jahr 2000 errang Bancoult seinen
ersten Sieg vor Großbritanniens High Court, dem Obersten Gerichtshof. In
drastischen Worten bestätigten die Richter die Kläger darin, dass die
Ausweisung der Inselbevölkerung illegal gewesen sei. Doch die
Labour-Regierung unter Tony Blair nutzte das uralte Recht des
königlichen Edikts, um die Rückkehr dennoch zu verbieten. Das Parlament
wurde auf diese Weise ausgeschaltet - eine Methode, die ein
Berufungsgericht 2007 als "Machtmissbrauch" verurteilte. Es forderte
erneut die Rückkehr der Chagossianer. Doch das britische Oberhaus, die
letzte Instanz, widersprach, angeblich aus Kostengründen.
Trotz dieser Rückschläge gibt Bancoult
nicht auf. "Wir haben bereits eine Klage beim Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte eingereicht", sagt er, und er klingt kämpferisch wie
seine Mutter. "Und wir bereiten einen Fall für den Internationalen
Strafgerichtshof in Den Haag vor, denn das, was die britische Regierung
uns angetan hat, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit."
Olivier Bancoult wartet auf den Tag, an
dem er seinen Kindern seine Heimat zeigen kann. "Auch wenn sie auf
Mauritius geboren wurden, ihre Wurzeln liegen auf Peros Banhos." Die
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, sagt Bancoult, verbrieft das
universelle Recht jedes Menschen auf Rückkehr in seine Heimat. Er will
nicht mehr erreichen, aber auch keinesfalls weniger.
Quelle:
- Vertrieben aus dem Paradies/TAZ 29.01.2009
Sorry, no English translation here,
but you will find a couple of links with lots of information in English in my previous post concerning
Die Chagossianer brauchen noch immer mehr als 10 500 Unterschriften und es sind nur noch knapp 3 Tgae bis zum 4.April!!!
AntwortenLöschenEs wäre schön, wenn sich noch viele beteiligen könnten. Danke!
Birgit
Wow, gestern sind viele Unterschriften zusammen gekommen, rund 1800 fehlen noch...!!!
AntwortenLöschenBirgit
Here some links/ Mauritian Press
AntwortenLöschen29 March 2012/Le Mauricien
http://www.lemauricien.com/article/genocide-chagossien-lettre-ouverte-barack-obama
01 Avril 2012/L'express
http://www.lexpress.mu/story/36520-petition-pour-la-maison-blanche-le-groupe-refugies-chagos-en-quete-de-13-000-signatures.html
02 April 2012/L'express
http://www.lexpress.mu/story/36532-petition-des-chagossiens-les-benevoles-redoublent-d-efforts-pour-avoir-les-signatures.html
02 April,2012 L'Express
http://www.lexpress.mu/story/36539-chagos-un-echec-de-la-petition-serait-un-constat-d-echec-pour-maurice.html
And here an an interesting English contribution in Le Mauricien/30 March 2012
AntwortenLöschenhttp://www.lemauricien.com/article/petition-obamas-white-house-yes-we-can%E2%80%A6help-chagossians-go-%E2%80%9Cviral%E2%80%9D