Christina Thürmer-Rohr, photo credits: GWI/Heinrich Böll Stiftung
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Heute ist der 17. November und damit jährt sich der Geburtstag von Christina Thürmer-Rohr zum 84. mal.Ihre Gedanken und Thesen haben mich seit meines Studiums an der TU im Fachbereich Erziehungswissenschaften begleitet. Dort lehrte sie, was für mich und viele andere Frauen ein Glücksfall war. Ihre Lebendigkeit des Denkens und ihre Neugier auf die Welt und ihre Menschen ziehen sich bis heute durch ihr Werk. Letztes Jahr hat sie einen neuen Essayband herausgegeben, auf den ich hier Lust machen möchte. Ich beginne mit dem Abdruck eines Interviews mit der Zürcher Zeitung WOZ, das ich in der Folge ins Englische übersetzt habe. Auch wenn ihr neues Buch noch nicht im Englischen vorliegt, die Bedeutung ihrer Essays reicht m.E. über den deutschen Sprachraum weit hinaus. Ich wünsche mir, dass ihre Gedanken in diesen Zeiten bei vielen Spuren hinterlassen und vor allem Dialoge erzeugen, die über ein schnelles like bei facebook oder twitter hinausgehen. Auch wenn sie das ganz sicher nicht hören mag, aber ich habe es auch Tina zu verdanken, dass ich noch nicht ganz an dieser Welt verzweifelt habe. Und, ich hoffe auf noch viele Geburtstage von Tina, denn ich bin sicher, auch zu dem, was heute und in dieser Pandemie passiert, wie ein einzelner Mann und seine Anhänger demokratisch geglaubte Grundfeste bedroht und versucht außer Kraft zu hebeln sind zwar lang beschriebene und bekannte Phänomene, doch treffen sie ins Mark dieser Welt. Wir brauchen mehr denn je, Menschen mit Mut aus der Reihe zu tanzen und uns daran zu erinnern, dass wir mehr sein können als wir sind. Für uns - für diese Welt, die unsere einzige ist.Überall!
Alles erdenklich Gute zum heutigen Geburtstag, Tina!
Today is November 17 which marks the 84th birthday of Christina Thürmer-Rohr. Her thoughts and theses have accompanied me since my studies at the Technical University of Educational Sciences. There she taught - a stroke of luck for me and many other women. The liveliness of her thinking and her curiosity about the world and its people has run through her work up to this day. Last year she published a new volume of essays, which I would like to whet your appetite for here. I start by printing an interview with the Zürcher Zeitung WOZ, which I subsequently translated into English. Even if her new book is not yet available in English, the meaning of her essays reaches,at least in my opinion, far beyond the German-speaking area. I hope that her thoughts will leave their mark on many in these times and, above all, generate dialogues that go beyond a quick like on facebook or twitter. Even if she certainly doesn't like to hear that, I also owe it to Tina that I haven't completely despaired of this world. And, I hope for many more birthdays for Tina, because I am sure, also with regard to what is happening today and during this pandemic, and how a single man and his followers threaten fundamental foundations that are believed to be democratic and try to override them are known phenomena, but they are hitting the core of this world. More than ever, we need people to step out of line with courage and remind us that we can be more than we are. For us - for this world that is our only one.Everywhere!
A very happy birthday today, Tina!
"Womit ich Mühe habe, ist das Diversity-Konzept, wie es einem etwa im Internet begegnet. Ich bin überzeugt, dass der Gedanke der Pluralität viel weiter führt": Christina Thürmer-Rohr im Gespräch.
«Wir müssen lernen, uns mit dieser Welt immer wieder neu anzufreunden, wenn wir nicht zugrunde gehen wollen»
Mehr Kontroversen statt falsche Einigkeit: Die 83-jährige Berliner Theoretikerin Christina Thürmer-Rohr kritisiert manche Auswüchse in Diskriminierungsdebatten. Vor allem aber möchte sie nicht immer wieder dasselbe sagen.
WOZ: Frau Thürmer-Rohr, in
den neunziger Jahren haben Sie den Feminismus als eine ursprünglich
politische Bewegung beschrieben, die zu einer sozialen – und
sozialarbeiterischen – wurde und sich dann in eine psychologische
Bewegung verwandelte, die immer mehr ins Therapeutische tendiert. Wo
stehen wir heute?
Christina Thürmer-Rohr: Da müssten Sie jemand anderen
fragen. Jemanden von heute. Ich bin ja nun schon uralt. Aber ich denke,
dass meine Grunddiagnose zur Entwicklung des Feminismus weiterhin
zutreffend ist: diese Verschiebung von einer politischen Bewegung hin zu
einem immer stärker werdenden therapeutischen Interesse.
Was ist daran das Problem?
Ich sehe darin eine egozentrische Form von Verengung. Das Interesse
vieler Frauen war «ich». Wie kann ich so werden, dass ich nicht mehr von
patriarchalen Strukturen definiert werde? Wie kann ich mich von jeder
Mittäterschaft säubern?
Wie würden Sie denn Ihren eigenen Feminismus definieren?
Für mich war der Feminismus immer eine Frage der sehr gross angelegten
Gesellschaftskritik. Einer Gesellschaftskritik, die sich zunehmend mit
Gewaltfragen gepaart hat: Das war in den siebziger Jahren die Frage
überhaupt innerhalb der linken Bewegung, dann in der Frauenbewegung und
auch in der Umweltbewegung. Wir reden von der Zeit des
Nato-Doppelbeschlusses von 1979, der Stationierung von amerikanischen
Atomraketen in Deutschland. Es herrschte eine wahnsinnige Aufregung über
die massive Aufrüstung in Ost und West. Über die Möglichkeit, dass
diese Menschheit, also vor allem diese Männerheit, die gesamte Welt mit
ihren atomaren Waffen einfach umbringen kann. Sie hatte etwas
hervorgebracht, was diese Erde abschaffen könnte. Das war ein Schock.
Mit Verlaub, jetzt klingen Sie fast wie Greta Thunberg.
Genau. Die atomare Bedrohung war damals unsere Greta-Frage. Und heute stehen wir wieder an einem ähnlichen Punkt.
Trotz dieser Wiederkehr einer
apokalyptischen Weltsicht: Wurde nicht doch auch einiges in den
vergangenen Jahrzehnten erreicht – gerade auch aus feministischer Sicht?
Ja, es ist unglaublich, was passiert ist. Was würden wohl unsere
Vorfahrinnen sagen, wenn sie auf das Heute schauen könnten? Würden die
sagen: «Wow, wahnsinnig, was da alles erreicht wurde»? Oder würden sie
sagen: «Na ja, das mit der Gleichberechtigung habt ihr ja hingekriegt,
juristisch gesehen, aber was ist mit der Gerechtigkeit? Und vor allen
Dingen, was ist mit der Welt?» Sie ist in einem Zustand, der einem
wirklich Angst machen kann. Nicht nur die Umwelt, sondern auch das
politische Denken. Um diesen Blick in die Welt geht es mir. Das heisst,
um die Gewaltstrukturen im weitesten Sinn. Und das hat sich ja nun
eigentlich überhaupt nicht verändert.
Wie kann man dagegenhalten?
Mir geht es darum, zu einem politischen Denken zu kommen, das den
Feminismus nicht zu einem Sonderproblem, zur «Frauenfrage» macht,
sondern zur grossen grundsätzlichen Kontroverse. Auf dieser Kontroverse
müssen wir bestehen, statt uns vor der unwirtlichen und wieder
gehässiger werdenden Welt in eine freundliche kleine Binnenwelt
zurückzuziehen.
Etwas, was in den vergangenen Jahren zu einigen Kontroversen geführt hat, ist die #MeToo-Bewegung. Wie schätzen Sie diese ein?
Ich finde sie mutig und folgenreich, auch wenn sie juristisch nicht
unbedingt erfolgreich sein sollte. Sie zeigt, wie entsetzlich «normal»
die Täter ihre Zugriffe auf Frauen finden. Daran werden sie nun in aller
Öffentlichkeit gehindert. Das freut einen. Und das öffnet manchen die
Augen. Dennoch steckt in der #MeToo-Bewegung das Problem, dass die
Gewaltverhältnisse auf sexualisierte Zugriffe reduziert werden können.
Und es gibt auch oft das Problem, dass die Frauen sich reichlich
ambivalent verhalten. Diese Ambivalenz ist zwar für bestimmte
Berufsbranchen nachvollziehbar, aber trotzdem ärgerlich.
Können Sie diesen Vorwurf der Ambivalenz noch etwas ausführen?
Einerseits finden diese Frauen die geilen Grapscher ekelhaft,
andererseits wollen sie auf erhoffte Vorteile nicht verzichten. Im
Schutz der neuen Bewegung machen sich einige nachträglich zum Opfer –
auch das ist eine Variante der Mittäterschaft.
Gibt es eine Zeit, die Sie sich zurückwünschen würden, ganz persönlich?
Eigentlich neige ich nicht zu nostalgischen Rückblenden. Persönlich
gesehen, war der Beginn meiner Studienzeit 1956 in Freiburg eine
wirklich glückliche Zeit. Es war eine Form von Freiheit, das Glück,
studieren zu können und überhaupt etwas kennenzulernen, was man vorher
nicht kannte. Ich habe ja überall rumprobiert, Romanistik und
Germanistik, Musikwissenschaft, Philosophie und Psychologie. Dieses
Gefühl, die Welt ist weit und ich habe so viele Möglichkeiten, auch wenn
ich keinen Pfennig Geld habe. Das heisst nun natürlich nicht, dass ich
mir die fünfziger Jahre auch politisch zurückwünsche. Obwohl ich sagen
muss, dass ich als Studentin damals wesentlich mehr Freiheiten hatte,
als gemeinhin wahrgenommen wird.
Apropos Möglichkeiten. Sie
hätten das halbe Leben mit Männern, die andere Hälfte mit Frauen
verbracht, und Sie fänden das folgerichtig, sagen Sie im Dokumentarfilm
«anfangen» von Gerd Conradt. Wie meinten Sie das?
Es gibt nun mal Männer und Frauen. Und es gibt ein Leben, das nicht
schon vom dritten Tag an weiss, wie man leben will. Das muss man erst
mal alles ausprobieren. Ich bin ja in sehr schwierigen Zeiten
aufgewachsen, mein Vater ist früh im Krieg gefallen, den habe ich gar
nicht kennengelernt. Und wir wurden dann bei Kriegsende in der
Krankenanstalt Bethel in Bielefeld aufgenommen, aus «christlicher
Nächstenliebe», weil wir nicht wussten, wohin. Wir kamen aus dem
heutigen Polen. Wenn man dann irgendwann anfängt, selber zu leben
anstatt nur von den Verhältnissen gelebt zu werden, muss man erst mal
gucken, was es überhaupt für Menschen gibt. Ich kannte ja lange fast
keine Männer. Ich musste die erst mal kennenlernen. Ich habe auch gar
keine schlechten Erfahrungen gemacht. Mein Zugang zum Feminismus beruhte
nicht auf persönlichen Gewalterfahrungen wie bei vielen anderen. Ich
bereue da nichts. Seit über 25 Jahren lebe ich nun mit der Schweizer
Pianistin Laura Gallati zusammen, und das ist sehr gut so.
In Ihrem neuen Buch üben Sie
Kritik an der heute oft gefeierten Vorstellung von Diversity als
lustigem, buntem Haufen. Wie könnte man die herrschende Vielfalt denn
wieder politischer aufladen?
Womit ich Mühe habe, ist das Diversity-Konzept, wie es einem etwa im
Internet begegnet, mit den vielen Farben und den Vögelchen und Eiern in
einem Korb, und alle suchen sich da irgendwas aus. So kann es ja nicht
sein! Ich habe mich lange mit dem Konzept der Pluralität beschäftigt und
bin überzeugt, dass dieser Gedanke der Pluralität viel weiter führt:
Pluralität bringt zwingend Kontroversen mit sich, sie macht einem das
Leben nicht einfach nett und freundlich und vielseitig. Sie ist eine
enorme Herausforderung.
Inwiefern?
Die Tatsache, dass Menschen verschieden sind, wirklich ernst zu nehmen,
klingt so lapidar. Und doch liegt darin eines der grössten Geheimnisse
überhaupt. Weil es ja auch zeigt, dass wir alle als Fremde in der Welt
sind und in die Welt kommen. Diese Fremdheit lässt sich nicht einfach
eines Tages überwinden, sodass wir alle eins werden können. Sie ist eine
bleibende Bedingung und Herausforderung unserer Existenz und begleitet
uns bis ans Ende unseres Lebens. Vielleicht wird diese Fremdheit sogar
schwerwiegender, wenn man älter wird. Solange man jünger ist, denkt man
vielleicht: Das lässt sich alles überwinden.
Sie schreiben auch, es gebe Erfahrungen, die es schlicht zu akzeptieren gelte. Womit müssen wir uns denn abfinden, womit nicht?
Da ging es mir darum, zu unterscheiden zwischen dem, was wir als
Diskriminierung erkennen und bekämpfen müssen, und dem, was wir als
Ausdruck der Verschiedenheit und damit auch der verschiedenen «Mitgifte»
schlicht zu akzeptieren haben. Es geht ja oft um so banale Dinge wie
Linkshändigkeit oder eine schiefe Nase. Bei solchen Dingen muss ich mir
doch sagen: Damit muss ich jetzt halt mal leben. Und da muss ich mich
auch nicht ständig darüber aufregen oder mich als diskriminiert
bezeichnen. Was mich aufregt: dass oft sämtliche Defizite, die Menschen
bei sich und anderen beobachten, als Diskriminierung gewertet werden.
Dass Kleinigkeiten zum Teil einen Raum einnehmen, der ihnen nicht
wirklich gebührt. Und dass keine Anstrengung mehr unternommen wird
herauszufinden, ob da in der Beurteilung dieser Mitbringsel wirklich ein
Unrecht zugrunde liegt.
Fast scheint es, als ob es hier noch um andere Dinge ginge als krumme Nasen oder die Linkshändigkeit …
Das sind ja bloss Beispiele. Ich meine aber schon, dass wir uns besinnen
müssen auf die wesentlichen Unrechtsnormen in der Gesellschaft. Und
dazu gehören eben der Rassismus, der Antisemitismus, der Sexismus und so
weiter. Grosse, abgegriffene Worte, in denen aber ein ganzes Universum
von Unterdrückung und Unrecht steckt. Aber diese wahnwitzigen Listen,
die man im Netz antrifft, wo manche sich bemühen, alles fein säuberlich
aufzuzählen, was vielleicht nicht so gut ist: Eine solche Ausdehnung
finde ich riskant. Weil sie den Blick für Herrschaftsverhältnisse trübt
und zerfasert.
Was Sie im Buch ebenfalls
kritisieren, ist die Hierarchisierung von Diskriminierungen, wenn etwa
behauptet wird, alle Frauen seien unterdrückt, alle schwarzen Frauen
seien zweifach unterdrückt und alle lesbischen schwarzen Frauen
dreifach. Was irritiert Sie an dieser «Litanei», wie Sie es nennen?
Dass sie nicht stimmt. Diese Auflistung ist viel zu grob und macht
schlechte Laune. Man kann nie sagen: «alle Frauen». Das gibt es ja gar
nicht. Was sollen denn «alle» sein? Soll das die Biologie sein? Wir
wissen doch mittlerweile, dass nicht mal die Biologie bei allen Frauen
genau die gleiche ist. Oder soll es die geteilte
Unterdrückungsgeschichte sein? Und meinen wir damit die alte oder die
neue Unterdrückungsgeschichte? Und was ist mit denen, die versucht
haben, diese Unterdrückung zu überwinden? Bereits dieses «alle»
offenbart also eine Ignoranz gegenüber den unterschiedlichen Wegen, die
Frauen gegangen sind und auch heute zunehmend gehen. Das ist das eine.
Was stört Sie sonst noch?
Dazu ein Beispiel, das zufällig aus der Schweiz stammt. In den achtziger
Jahren sagte eine Teilnehmerin eines meiner Seminare, ihr grösstes
Ideal sei die Feministin Audre Lorde. Denn Lorde sei schwarz, lesbisch
und habe Krebs. Das meinte sie in aller Ernsthaftigkeit. Sie nannte eine
Ansammlung von Etiketten der Diskriminierung, die sie gerne auch hätte,
um in diesen Status des wirklichen Opfers zu gelangen. Dabei hätte sich
gerade Audre Lorde selbst sicher nie als Opfer definiert! Aber das
steckt eben in dieser Diskriminierungshierarchie mit drin: Man will sich
zum Opfer machen. Diese Identifizierung mit den Opfern ist kein
Ausdruck von Empathie, sondern eine krasse Lüge. Niemand will Krebs
haben. Auch die zeitweise Identifizierung deutscher Frauen mit jüdischen
Opfern war eine Lüge. Wer will denn im KZ vergast werden? Das hat mich
früher stark beschäftigt. Ich habe das als verheerende Entwicklung
feministischer Wünsche und Gedankengänge angesehen.
Aber woher kommen denn diese bizarren Wünsche?
Ich denke, es handelt sich letztlich um ein ganz infantiles Bedürfnis,
sauber zu sein. Rein zu sein. Ich bin klein, mein Herz ist rein. Man
will sich allen Forderungen nach Mündigkeit und Verantwortlichkeit
entziehen. Aber das Leben ist dreckig – und es macht dreckig. Wir können
unser Leben nicht auf einer sauberen Schiene verbringen. Wenn man das
will, dann kann man nicht zu einem Menschen werden, der dieses Leben in
seiner unglaublichen Widersprüchlichkeit zu verstehen beginnt. Gegen
diese Widersprüchlichkeit richtet sich die Sauberkeitssuche, diese Art
Katholizismus, der in das Selbstbild eindringt. Dieser Exorzismus.
Dieses Begehren, dass alles, was patriarchal ist, aus mir rausmuss. Und
dann bin ich sauber, dann bin ich das, was ich sein möchte. Nein, so
geht das nicht!
Als Gegenprogramm zu diesem
Reinheits- und Opferdiskurs könnte man Ihre eigene Auseinandersetzung
mit den Feldpostbriefen Ihres Vaters bezeichnen, der ein überzeugter
Nazi war. Was hat Sie zu dem mutigen Schritt bewogen, in den achtziger
Jahren Teile dieser Briefe öffentlich zu machen?
Das war 1985, vierzig Jahre nach Kriegsende. Ich hatte mich damals wie
viele andere auch mit dem Holocaust und dem Nationalsozialismus
beschäftigt. Vorher auch schon, aber da war es viel eher ein
verschwiegenes Wissen im Hinterkopf, dass da etwas war, an dem man nicht
vorbeikommt. Erst in den siebziger Jahren fingen wir an, darüber zu
sprechen.
Das heisst, Sie haben die Briefe erst in den achtziger Jahren zum ersten Mal gelesen?
Zum ersten Mal analytisch gelesen. Als mein Vater 1940 aus dem
Frankreichfeldzug an meine Schwester und mich geschrieben hatte, da war
ich ja erst drei Jahre alt und konnte sie noch gar nicht lesen. Die
Briefe waren für mich erschütternd, erschreckend. Weil sie eine
Doppelbotschaft enthielten, fand ich es so wichtig, sie öffentlich zu
machen. Ich habe diese Briefe nicht als mein persönliches Vermächtnis
verstanden, sondern als etwas, was unsere Generation zur Kenntnis nehmen
muss.
Wie würden Sie denn dieses Vermächtnis beschreiben?
Diese Briefe waren einerseits ungeheuer liebevoll. Er schrieb «meine
geliebten Kinderchen» und «euer liebster Vati» mit kleinen gemalten
Bildern, wie er mit dem Gewehr dasteht und gegen die Franzosen schiesst
und natürlich immer trifft. Dazu Vögelchen, die uns Grüsse schicken. Das
war die eine Seite. Dann schrieb er aber auch, dass wir immer lieb sein
müssten, um so die Kugeln von ihm abzuhalten. Das war die zweite
Botschaft: dass wir im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie
funktionieren müssen, «Hitler, unser grosser Führer» und so weiter. Das
heisst, es war eine Mischung aus liebevoller Zuwendung und
nationalsozialistischer Indoktrination, wie man sie klarer nirgendwo
lesen kann. Und ich war der Meinung, dass das nicht nur meine
persönliche Angelegenheit ist. Deswegen habe ich damals den Artikel
geschrieben. Es ging mir um diese Mischung von Lüge und Liebe.
Was sind die Konsequenzen, die Sie aus dieser Erfahrung für die Gegenwart ziehen würden?
Ich habe damals die Konsequenz gezogen, mich rigoros zu trennen: von
Herkunft, Einbettung, Heimat. Ich wollte diese Kindheitsgeschichte nicht
«erben», sondern mich an ihrer Aufklärung beteiligen.
Wie verhindert man, in der Auseinandersetzung mit der Welt und ihren Gewaltstrukturen müde und melancholisch zu werden?
Vor allem möchte ich im Leben nicht immerzu das Gleiche sagen. Mein
neues Buch ist ja ein Essayband. Das eröffnet gewisse Freiheiten, weil
man nicht einfach zu einem einzigen Thema schreiben muss. Und ich habe
mir erlaubt, auch zu für mich ganz neuen Themen etwas zu sagen: zum Buch
Hiob, zum Aussenseitertum oder auch zum Komponisten Robert Schumann und
seinen inneren Kontroversen und Krankheiten. Die Beschäftigung damit
hat mir gefallen. Und ich gebe auch zu, dass ich zu Fragen, die für mich
neu sind, viel lieber etwas schreibe als zu den immer wiederkehrenden
alten Fragen, die dann zu alten Kamellen werden. Da denke ich halt: Das
sollen doch jetzt die Jungen machen.
Man kann sich also mit dieser Welt immer wieder neu anfreunden, indem man sich mit neuen Themen befasst?
Nein, nicht nur durch neue Themen. Aber das Neuanfangen ist ein
inspirierender Gedanke, da kann man viel von Hannah Arendt lernen. Es
geht darum, diese Welt als unsere einzige Heimstätte anzusehen. Trotz
ihrer Verrottetheit und der Verzweiflung, in die man über sie geraten
kann – über die Menschen und über sich selbst. Wir müssen lernen, uns
mit dieser Welt immer wieder neu anzufreunden, wenn wir nicht zugrunde
gehen wollen. Das ist nicht einfach ein Trick, sondern ein Weg, uns als
zuständig und zugehörig zu sehen. Die Welt birgt wirklich diesen Stoff,
diese vielen schönen Dinge, Gedanken und Menschen, mit dem man sich
immer wieder neu auseinandersetzen kann. Man muss sie nur finden.
"What I struggle with is the concept of diversity, as one encounters on the Internet, for example. I am convinced that the idea of plurality goes much further" , Photo credit: Heinrich Böll Stiftung
"We have to learn to make friends with this world again and again if we don't want to perish"
More controversies instead of false unity: The 83-year-old Berlin theorist Christina Thürmer-Rohr criticizes some excesses in discrimination debates. Most of all, she doesn't want to say the same thing over and over again.
WOZ: Ms. Thürmer-Rohr, in the nineties you described feminism as an originally political movement that became a social - and social worker - movement and then turned into a psychological movement that tended more and more towards the therapeutic. Where are we today?
Christina Thürmer-Rohr: You would have to ask someone else. Someone from today. I'm very old now. But I think my basic diagnosis of the development of feminism is still true: this shift from a political movement to an ever-growing therapeutic interest.
What's the problem with that?
I see this as an egocentric form of narrowing. Many women were interested in "me". How can I become so that I am no longer defined by patriarchal structures? How can I rid myself of any complicity?
How would you define your own feminism?
For me, feminism has always been a question of very large-scale social criticism. A social criticism that has increasingly been paired with questions of violence: That was the question at all within the left movement in the 1970s, then in the women's movement and also in the environmental movement. We are talking about the time of the NATO Double-Track Decision of 1979, the stationing of American nuclear missiles in Germany. There was insane excitement over the massive armament in East and West. About the possibility that this humanity, especially this manhood, can simply kill the entire world with its atomic weapons. It (the world) had produced something that could abolish this earth. That was a shock.
With all due respect, now you almost sound like Greta Thunberg.
I agree. The atomic threat was our Greta question back then. And today we are at a similar point again.
Despite this return of an apocalyptic worldview: Hasn't a lot been achieved in the past decades - especially from a feminist point of view?
Yeah, it's amazing what happened. What would our ancestors say if they could look at Today? Would they say: "Wow, it's amazing what has been achieved there"? Or would they say: “Well, you managed that with equality, from a legal point of view, but what about justice? And above all, what about the world? " She is in a state that can really be scary. Not just the environment, but also political thinking. It's about this look into the world. That is, about the structures of violence in the broadest sense. And that hasn't really changed at all.
How can you counter this?
My aim is to arrive at a political way of thinking that does not make feminism a special problem, a “women's question”, but a major, fundamental controversy. We have to insist on this controversy instead of withdrawing from the inhospitable and increasingly hateful world to a friendly little interior world.
Something that has caused some controversy in the past few years is the #MeToo movement. How do you rate them?
I find it courageous and momentous, even if it shouldn't necessarily be legally successful. It shows how terribly «normal» the perpetrators find their access to women. They are now being prevented from doing so in public. That makes one happy. And that opens some eyes. Nevertheless, the problem with the #MeToo movement is that the violence can be reduced to sexualized access. And there is also often the problem that women behave very ambiguously. This ambivalence is understandable for certain professional branches, but it is still annoying.
Can you elaborate on this accusation of ambivalence?
On the one hand these women find the horny gropers disgusting, on the other hand they do not want to forego the benefits they hoped for. In the protection of the new movement, some make themselves retrospectively victims - this is also a variant of complicity.
Is there a time that you would wish yourself back, personally?
Actually, I'm not prone to nostalgic flashbacks. Personally, the beginning of my studies in Freiburg in 1956 was a really happy time. It was a form of freedom, the happiness of being able to study and actually getting to know something that you didn't know before. I've tried everything, Romanticism and German studies, musicology, philosophy and psychology. This feeling that the world is wide and I have so many options even if I don't have a penny. Of course, that doesn't mean that I want the 1950s to be back politically. Although I have to say that as a student I had a lot more freedom at the time than is generally perceived.
Speaking of possibilities. You would have half your life with men, the other half with Fr.Speaking of possibilities. You would have spent half your life with men and the other half with women, and you would find that logical, you say in Gerd Conradt's documentary “anfangen”("begin"). What did you mean?
There are men and women. And there is a life that does not know how to live already from the third day on. You have to try everything first. I grew up in very difficult times, my father died early in the war, I didn't even get to know him. And then at the end of the war we were admitted to the Bethel hospital in Bielefeld, out of “Christian charity” because we didn't know where to go. We came from what is now Poland. When at some point you start to live yourself instead of just being lived by the circumstances, you first have to see what kind of people are there. For a long time I hardly knew any men. I had to get to know them first. I haven't had any bad experiences either. My approach to feminism was not based on personal experiences of violence like it was for many others. I don't regret anything. I've been living with the Swiss pianist Laura Gallati for over 25 years, and that's a very good thing.
In your new book you criticize the often celebrated notion of diversity as a funny, colorful bunch. How could the prevailing diversity be given a more political boost?
What I struggle with is the diversity concept, as you encounter it on the Internet, with all the colors and the birds and eggs in one basket, and everyone chooses something. It can't be like that! I have dealt with the concept of plurality for a long time and I am convinced that this notion of plurality goes much further: plurality inevitably brings with it controversy, it does not just make life nice and friendly and varied. It's an enormous challenge.
In what way?
Taking the fact that people are different really seriously sounds so succinct. And yet therein lies one of the greatest secrets of all. Because it also shows that we are all strangers in the world and come so into the world. This strangeness cannot simply be overcome one day so that we can all become one. It is a permanent condition and challenge of our existence and accompanies us until the end of our life. Perhaps this strangeness becomes even more severe as you get older. As long as you're younger, you might think: all of this can be overcome.
You also write that there are experiences that simply have to be accepted. What do we have to come to terms with, what not?
My concern was to distinguish between what we must recognize and fight as discrimination and what we simply have to accept as an expression of diversity and thus also of the various "dowries". It's often about such mundane things as left-handedness or a crooked nose. With things like that, I have to say to myself: I just have to live with that. And then I don't have to be constantly upset about it or call myself discriminated against. What excites me: that often all deficits that people observe in themselves and others are seen as discrimination. That little things sometimes take up a space that is not really theirs. And that no more effort is made to find out whether there really is an injustice in the assessment of these conditions you just bring along.
It almost seems as if this were about other things than crooked noses or left-handedness ...
Those are just examples. But I do think that we have to reflect on the essential norms of injustice in society. And that includes racism, anti-Semitism, sexism and so on. Big, worn words, but in which there is a whole universe of oppression and injustice. But these crazy lists that you come across on the net, where some try to neatly list everything that may not be so good: I find such an expansion risky. Because it tarnishes and frays the view of power relations.
What you also criticize in the book is the hierarchization of discrimination, for example when it is claimed that all women are oppressed, all black women are doubly oppressed and all lesbian black women are threefold. What irritates you about this "litany", as you call it?
That it is not true. This list is far too rough and puts you in a bad mood. You can never say: "all women". There is no such thing. What should "all" be? Is that supposed to be biology? We now know that not even the biology of all women is exactly the same. Or should it be the shared history of oppression? And do we mean the old or the new story of oppression? And what about those who have tried to overcome this oppression? Even this “all” reveals an ignorance of the different paths that women have taken and are increasingly taking today. That's one thing.
What else is bothering you?
Here is an example that happens to come from Switzerland. In the 1980s a participant in one of my seminars said her greatest ideal was the feminist Audre Lorde. Because Lorde is black, lesbian and has cancer. She meant that in all seriousness. She named a collection of labels of discrimination that she would like to have in order to get into this status of the real victim. Audre Lorde would certainly never have defined herself as a victim! But that's part of this hierarchy of discrimination: You want to make yourself a victim. This identification with the victims is not an expression of empathy, but a blatant lie. Nobody wants cancer. The temporary identification of German women with Jewish victims was also a lie. Who wants to be gassed in the concentration camp? That preoccupied me a lot. I saw this as a devastating development of feminist desires and thoughts.
But where do these bizarre wishes come from?
I think it's ultimately a very infantile need to be clean. To be pure. I am small, my heart is pure. One wants to evade all demands for maturity and responsibility. But life is dirty - and it makes you dirty. We cannot live our lives on a clean track. If you want that, then you cannot become a person who begins to understand this life in all of its incredible contradictions. The search for cleanliness, this kind of Catholicism that penetrates the self-image, is directed against this contradiction. This exorcism. This desire that everything that is patriarchal must get out of me. And then I'm clean, only then I am what I want to be No, it does not work like this!
The counterprogram to this discourse on purity and sacrifice could be described as your own confrontation with the letters from your father in the field, who was a staunch Nazi. What made you take the bold step of making parts of these letters public in the 1980s?
That was 1985, forty years after the end of the war. At that time, like many others, I was concerned with the Holocaust and National Socialism. Before that, too, but then it was much more a secret knowledge in the back of your mind that there was something you couldn't get past. It wasn't until the 1970s that we started talking about it.
Does that mean you only read the letters for the first time in the 1980s?
Reading them analytically for the first time. When my father wrote to my sister and me from the French maneuver in 1940, I was only three years old and couldn't read them yet. The letters were shocking, they terrified me. As they contained a double message, I thought it was so important to make them public. I did not understand these letters as my personal legacy, but as something that our generation must take note of.
How would you describe this legacy?
On the one hand, these letters were extremely loving. He wrote "my beloved little children" and "your dearest dad" with little painted pictures of how he stands with a rifle and shoots at the French and of course always hits. Plus little birds that send us greetings. That was one side. But then he also wrote that we always had to be nice in order to keep the bullets off him. That was the second message: that we have to function in accordance with the National Socialist ideology, "Hitler, our great Führer" and so on. In other words, it was a mixture of loving attention and National Socialist indoctrination, as you can nowhere more clearly read. And I thought it wasn't just my personal business. That's why I wrote the article back then. It was about this mixture of lies and love.
What are the consequences for the present that you would draw from this experience?
Back then, I took the consequence of severing myself rigorously: from origin, embedding, home. I did not want to “inherit” this childhood story, but rather to participate in clearing it up.
How do you prevent becoming tired and melancholy in dealing with the world and its structures of violence?
Most of all, I don't want to say the same thing over and over in life. My new book is a volume of essays. This opens up a certain amount of freedom because you don't just have to write on a single topic. And I took the liberty of saying something about topics that were completely new to me: about the book of Job, about outsiders or about the composer Robert Schumann and his inner controversies and illnesses. I enjoyed working on that. And I also admit that I prefer to write something about questions that are new to me than about the recurring old questions that then become old chats. I just think: the young should do that now.
So you can make friends with this world again and again by dealing with new topics?
No, not just through new topics. But starting over is an inspiring thought, you can learn a lot from Hannah Arendt. It's about seeing this world as our only home. Despite its rottenness and the desperation one can get into about it - about people and about yourself. We have to learn to make friends with this world again and again if we don't want to perish. It's not just a trick, it's a way of seeing ourselves as responsible and belonging. The world really contains this material, these many beautiful things, thoughts and people, which one can deal with again and again. You just have to find it.
«Fremdheiten und Freundschaften»
Übungen im Denken
Furore gemacht hat die Berliner Professorin für Feministische Theorie und Menschenrechte Christina Thürmer-Rohr schon in den achtziger Jahren mit ihrer Mittäterschaftsthese. Frauen seien nicht einfach passive Opfer, sondern immer auch mitverantwortliche Teilnehmerinnen patriarchaler Macht: indem sie diese Macht dulden, mittragen und von gewissen Rollenmustern profitieren. Auch in kolonialen und anderen rassistischen Zusammenhängen seien weisse Feministinnen oft als Täterinnen aufgetreten.
Bis heute merkt man es der 83-Jährigen an, dass sie nicht einfach auf kuschligen Konsens aus ist. So auch bei einer lebhaften Veranstaltung zu ihrem neuen Essayband «Fremdheiten und Freundschaften» kürzlich im Literaturhaus Zürich. Auf die Frage der Moderatorin Natascha Wey zu ihrer Auseinandersetzung mit Hannah Arendt sagte Thürmer-Rohr, es sei wichtig, nicht bloss AutorInnen zu lesen, die automatisch Zustimmung auslösten. Auch deshalb sei Arendt als widerständige intellektuelle Dialogpartnerin so wichtig. Dabei geht es ihr um eine Erweiterung des Denkens dank einer «Gastfreundschaft für fremde Gedanken» im eigenen Kopf.
Neben Hannah Arendt behandeln die Essays in «Fremdheiten und Freundschaften» so unterschiedliche Themen wie die Herausforderungen des Zusammenlebens, «existentielle und intentionale Aussenseiter», das Böse in Thomas Manns «Doktor Faustus» oder «Unrechtsbewusstsein und sexuelle Gewalt». Hier geht Thürmer-Rohr etwa der Frage nach, wie man verhindern kann, dass «Gewalterfahrungen in Opfermentalitäten münden».
Auffallend ist, dass viele Themen seit Jahrzehnten in Thürmer-Rohrs Denken präsent sind, aber in immer neue Richtungen und Konsequenzen weiterentwickelt werden. Dazu gehört auch das im Zeichen der Klimadiskussion wieder brandaktuelle Insistieren darauf, dass diese Welt «die einzige ist, die wir haben in der einzigen Zeit, die uns bleibt», wie Thürmer-Rohr im Vorwort schreibt. Und sie betont auch, dass die progressiven Kämpfe, darunter der feministische, immer im Zusammenhang mit globalen Gewaltzusammenhängen gedacht werden müssen.
Christina Thürmer-Rohr hat einen erwachsenen Sohn und lebt mit ihrer Partnerin, der Schweizer Pianistin Laura Gallati, in Berlin. Da Partnerschaft für sie auch gemeinsame Projekte bedeutet, wie sie im Dokumentarfilm von Gerd Conradt ausführt, gründeten die beiden 2003 das «forum akazie 3», das sich «Übungen im politischen und musikalischen Denken» widmet.
Daniela Janser
Christina Thürmer-Rohr: «Fremdheiten und Freundschaften. Essays». transcript Verlag. Bielefeld 2019. 288 Seiten. 41 Franken/EURO .29.99/ US $ 31.76
Exercises in thinking
The Berlin professor of feminist theory and human rights Christina Thürmer-Rohr caused a sensation in the 1980s with her complicity thesis. Women are not just passive victims, but always co-responsible participants in patriarchal power: by tolerating this power, supporting it and benefiting from certain role patterns. White feminists also often appeared as perpetrators in colonial and other racist contexts.
To this day, you can tell that the 83-year-old is not just looking for a cozy consensus. This was also the case at a lively event for her new volume of essays “Strangenesses and Friendship” recently at the Literaturhaus Zürich. When the moderator Natascha Wey asked about her discussion with Hannah Arendt, Thürmer-Rohr said it was important not to just read authors who automatically triggered approval. This is also why Arendt is so important as a resistant intellectual dialogue partner. Her aim is to broaden her thinking thanks to "hospitality for other people's thoughts" in her own head.
In addition to Hannah Arendt, the essays in “Strangenesses and Friendships” deal with topics as diverse as the challenges of living together, “existential and intentional outsiders”, the evil in Thomas Mann's “Doctor Faustus” or “awareness of injustice and sexual violence”. Here Thürmer-Rohr is looking into the question of how one can prevent “experiences of violence leading to victim mentalities”.
It is noticeable that many topics have been present in Thürmer-Rohr's thinking for decades, but are constantly being developed in new directions and consequences. This also includes the current and urgent insistence that this world is “the only one we have in the only time that remains”, as Thürmer-Rohr writes in the preface. And she also emphasizes that the progressive struggles, including the feminist, must always be viewed in the context of global violence.
Christina Thürmer-Rohr has a grown son and lives with her partner, the Swiss pianist Laura Gallati, in Berlin. Since partnership also means joint projects for them, as explained in Gerd Conradt's documentary, the two founded “forum akazie 3” in 2003, which is dedicated to “exercises in political and musical thinking”.
Daniela Janser
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