Donnerstag, 10. Mai 2012

Der Herr der Yachten...The Lord of the Yachts

Ein Mann, ein Rad: James Waterstone ist in Port Mathurin bekannt wie ein bunter Hund. Jeden Tag fährt er zum Hafen, um nach einlaufenden Yachten Ausschau zu halten. Seit mehr als 30 Jahren.

Irgendwann begann James, Bücher anzulegen, in die er die Bilder einklebte und die Besucher fortan ihre Notizen und Grüße notieren ließ. -


A man, a bike: James Waterstone is known in Port Mathurin like a coloured dog. Every day he is on his way to the harbor on the lookout for incoming yachts. For over 30 years.

At some point, James began to create books in which he glued photos he got and now he lets visitors record their own notes and greetings .

June 2009 
Photo:Hide Seki from S/Y Polaire

Der Herr der Yachten

EIN ÄLTERER, GEPFLEGTER HERR FÄHRT MIT SEINEM KLAPPRIGEN FAHRRAD ÜBER DIE BRÜCKE AM HAFEN VON PORT MATHURIN. SEIN NAME: JAMES WATERSTONE. 


Für James ist dieser Montag, so wie für die meisten Rodriguer, ein besonderer Tag: Heute öffnet an der Kreuzung Johnston Street/Rue de la Solidarité zum ersten Mal der sogenannte Neue Markt sei­ne Tore für Händler, Kunden und Neugierige. Mehrere Jahre lang wurde gebaut. Zäune versperrten den Blick. Heute soll endlich die Absperrung fallen. Der alte Markt ein Stück weiter, gleich hinter dem Containerlager des Hafengeländes, hatte am Sonnabend seine Tore geschlossen. James, mit grünem Cap, sauber gebügeltem rot karierten Hemd und grauer Hose, stellt sein Fahrrad ab und wartet. Dann ist es endlich so weit: Die Kommissare der Insel zerschneiden mit einer großen silbernen Schere das Absperrband, welches das Publikum symbolisch vom Neuen Markt trennt. Eine Band spielt auf. Tänzerinnen schwingen zum Sega ihre Hüften. Jeder, der es einrichten konnte, ist dabei. James besichtigt den modernen Betonbau, der auch starken Zyklonen stand­halten soll. Der letzte ist ihm noch gut in Erinnerung: 2003 bummelte er mit nur acht Stundenkilometer in 30 Kilometer Entfernung südöstlich der kleinen Maskareneninsel vorbei. Noch Monate später gab es kein fri­sches Obst. Die meisten Bäume waren umgeknickt. Viele Wellblechhütten der Ärmsten unter den Einwohnern waren gleich ganz verschwunden. Bir­git Rudolph, die seit 1997 auf der Insel lebt, sah an ihrem Fenster sogar „einen Hund vorbeifliegen“. James blieb damals von dem Unwetter verschont. Sein einfaches, kleines Steinhaus mit fester Tür und solidem Dach liegt ein kleines Stück westlich an der ge­schützten Baie aux Huitres, der Oyster Bay, gleich in der Nähe der Grund­schule L‘école primaire „Cardinal“.

Um 1800 herum kam sein aus Irland stammender Ururgroßvater John Waterstone nach Mauritius. William, dessen Sohn (und James' Urgroßva­ter), zog es dann ein paar Jahre später auf die 650 Kilometer entfernte Insel Rodrigues. Dort war er verantwortlich für ein Boot der Marine. Boote, insbe­sondere Segelyachten, haben es auch dem schließlich 1938 dem auf Rodrigues geborenen James Waterstone ange­tan. Der groß gewachsene, schlanke und freundliche ältere Herr lädt uns zu sich nach Hause ein. Er reicht Kekse und Saft. An der Wand hängt eine Schwarzwald-Kuckucksuhr, made in Taiwan, gekauft auf einem mauritischen Markt. Plastikblumen schmücken das kleine, saubere Wohn­zimmer. Vorhänge mit chinesischen Schriftzeichen dienen als Türen zu Schlafzimmer und Küche. Alle halbe Stunde schnarrt aus einer Elektrouhr eine Stimme auf Französisch die Zeit.Jeweils kurz danach meldet sich der mauritische Kuckuck.
James, der sich vom Gefängnisaufseher zum Ge­richtsdiener emporgearbeitet hatte, fährt seit den 80er-Jahren zum Hafen. Jeden Tag. Mit seinem schwarzen, perfekt gewarteten Rad, das etwas nostalgisch wirkt. 1966 hat er es für 250 Rupien gekauft, umgerechnet etwas mehr als sechs Euro. James' Passion: Er dokumentiert alle in Port Mathurin einlaufenden Segelyachten.

Da es der einzige Hafen auf Rodrigues ist, müssen dort alle Segel­yachten anlegen, die bunkern oder etwas reparieren wollen. Ein typischer Etappenhafen, denn: Zu sehen gibt es nicht viel auf der 18 Kilometer langen und nur acht Kilometer breiten Insel, wenn man auf der Durchreise ist. Wenn die Boote dann die schmale Hafeneinfahrt passiert haben, ledig­lich ein paar Pfähle kennzeichnen den Weg durchs Riff, dann steht James oft schon da. Er nimmt die Leinen entgegen und sagt freundlich Hallo. Angefangen hatte alles mit einem Yachteigner, mit dem er ins Gespräch gekommen war. Der schenkte ihm zum Abschied ein Foto von sich und seinem Boot. James bat ihn, hinten auf das Bild eine Widmung aufzu­schreiben. Nur so, zur Erinnerung an das nette Gespräch. Gesagt, getan. Seitdem sammelt James Waterstone Fotos und Notizen von Yachteig­nern, die die Insel ansteuern. Irgend­wann begann er, Bücher anzulegen, in die er die Bilder einklebte und die Besucher fortan ihre Notizen und Grüße notieren ließ.Sechs dicke Bände sind daraus bis heu­te geworden. Eines sei ihm von einem Touristen, der ihn zu Hause besucht hatte, gestohlen worden, ärgert sich der sonst so gut gelaunte, freundliche Herr.

Pro Jahr und Saison kämen im Schnitt um die 20 Yachten, sagt James. Macht in 21 Jahren 420 Boote, die alle in seinen Büchern dokumentiert seien. Höchstwahrscheinlich sind es jedoch viel mehr, denn in manchen Saisons wird Rodrigues neuerdings von bis zu 50 Yachten angelaufen. Die Segler nähmen sich jetzt mehr Zeit, „wegen der Piraten“. Er mache das aus rein privaten Gründen und nur so zum Spaß, sagt James und er lächelt dabei. Viele Freundschaften seien daraus ent­standen. Auch Deutsche seien unter den dokumentierten Eignern. Auch der Besuch der FREYDIS ist penibel verzeichnet worden."Heimathafen: Cuxhaven, Germany. Ankunft: 19. Juli, Abreise: 1. August 2001. Es sei eine große Freude und eine positive Erfahrung gewesen, Rodrigues an­gelaufen zu haben." Die das vor zehn Jahren neben einem aufgeklebten Schwarz-Weiß-Foto in James Water­stones Buch geschrieben haben, sind keine Geringeren als die Weltumseg­ler Erich und Heide Wilts.

Doch James ließ es nicht bei seiner exklusiven Sammlung bewenden. Stets war und ist er hilfsbereit, vermittelt Kontakte für Reparaturen oder fürs Wäschewaschen und gibt Informationen zum Einkauf. Auch für durstige Segler hat er einen Tipp parat: Bei Minko gleich hinter dem Hafen, in der „5th Avenue von Rodrigues“ gibt es gut gekühltes, lokales Phoenix-Bier in 0,65-Liter-Flaschen. Heute ist „Pay Day“, da sind alle Tische von den Män­nern besetzt – zum Unwillen ihrer rodriguischen Frauen. Minko ist so etwas wie das „Café Sport“ von Rodrigues. Vielleicht nicht ganz so schick. Aber auch hier trinken Segler – neben Ha­fenarbeitern und Einheimischen – ihr erstes Bier nach langer Abstinenz auf See. Ein Muss für einlaufende Seg­ler – genau wie ein Besuch bei James Waterstone in der Oyster Bay.
Zu Gast in James Waterstones Haus: Stolz präsentiert der Rodriguer ei­nen Band mit Yachtfotos der letzten Jahre. Viele Freundschaften seien aus den Kontakten entstanden, sagt James. Viele hielten bis heute.-

Staying in James Waterstone's House, he proudly presents his volumes of visitor books with yacht photos of recent years. Many friendships have grown –formed from these contacts, says James. Many lasting until today.

The Lord of the Yachts

AN ELDERLY MAN KEEPS DRIVING WITH HIS RICKETY BIKE ON THE BRIDGE AT PORT OF PORT MATHURIN. HIS NAME: JAMES WATERSTONE.


For James, this Monday is a special day, as for most Rodriguans: At the intersection of Johnston Street / Rue de la Solidarité, the so-called New Market opens its gates to dealers, customers and the curious for the first time today. The realisation of the project took several years, fences blocking the view. Today, finally, the barriers fall. The old market, which is located a bit farther, just past the container storage area of ​​the harbor, had closed its doors on Saturday before. James, with a green cap, neatly ironed red plaid shirt and gray pants is parking his bike and waits. Then it is start and go: The commissioners of the island cut the tape with large silver scissors, which symbolically has been separating the audience from the New Market. A band is playing on. Sega dancers are swinging their hips. Anyone who could make it is there. James visits the modern concrete building, which is also meant to resist strong cyclones. The last one is still well in his memory: In 2003, it passed strolling with only eight km per hour in 30 kilometers distance southeast of the small Mascarene island. Months later, there was no fresh fruit. Most trees were knocked down. Many shacks of the poorest of the inhabitants were knocked down all the same. Birgit Rudolph, who has been living on the island since 1997, even saw a little dog flying by at her window. James was spared by the storm. His simple, small stone house with a fixed roof and a solid door is located just a bit west of the Baie aux-Huitres, Oyster Bay, near the Pre-Primary school "Cardinal".

Around 1800 his great-great grandfather, John Waterstone , originally from Ireland, came to Mauritius. A few years later, William, his son (and James' great-grandfather), then felt drawn to move to the island of Rodrigues, 650 km away. There he was responsible for a boat of the Navy. Boats, sailing yachts in particular, have intrigued James Waterstone too who was eventually born in 1938. The tall, slim and friendly elderly gentleman invites us to his home. He offers cookies and juice. On the wall hangs a black forest cuckoo clock, made in Taiwan, purchased on a Mauritian market. Plastic flowers adorn the small, neat living room. Curtains with Chinese characters serve as doors to bedroom and kitchen. Every half an hour an electric clock announces the time with a creaking French voice. Each time, shortly thereafter, the Mauritius cuckoo calls. Since the ‘80s, James, who worked his way up from a prison warden to a court servant, goes to the harbor. Every day. With his black, perfectly maintained bike that looks a bit nostalgic. In 1966, he bought it for not even 250 rupees, the equivalent of just over six Euros. James' passion: documenting all incoming yachts in Port Mathurin.
Since it is the only port in Rodrigues all sailing yachts who need to stock up or who have something to fix, have to call and moor there. A typical Stop Over port since there is not much to see at the 18 kilometers long and eight kilometers wide island, if you're just passing through. When the boats have passed through the narrow harbor entrance, the route only marked by some stakes through the reef, then James is often already there. He takes the lines and says a friendly hello. It all started with a yacht owner, with whom he had been in touch. Who gave him a farewell photo of himself and his boat. James asked him to write a dedication on the back of the picture. Just like that, in memory of the great conversation they had. Said and done. Since then, James Waterstone has been collecting photos and notes from yacht owners who have come to the island. Later he began to glue the pictures in books, asking the visitors to record their notes and greetings in them. Six thick volumes have grown since then until now. One was stolen from a tourist who had visited him at home, mentioning this, some anger gets into the voice of the usually cheerful, friendly man. 

During one year’s season an average of 20 yachts arrive, says James. That makes in 21 years 420 boats, all of which are documented in his books. Most likely there are a lot more, because in recent seasons Rodrigues was visited by up to 50 yachts. The sailors would take more time now, "because of the pirates." He does it for purely personal reasons and just for fun, says James, and he smiles. Many friendships were formed . Germans are also documented among the owners. Such as the visit of the FREYDIS which has been meticulously recorded too. "Home Port: Cuxhaven, Germany. Arrival: 19 July, departure: 1 August 2001. Visiting Rodrigues has been a great pleasure and a positive experience." The ones who have written this ten years ago next to a bonded black and white photo in James Waterstone’s book are no lesser than the circumnavigators Erich and Heide Wilts.

But for James it is not only about his exclusive collection. He has always been helpful, providing contacts for repairs or for washing clothes or giving information on shopping trips. Even for thirsty sailors he has a handy tip: Minko, just behind the harbor, in the "5th Avenue of Rodrigues' , is the place for well-chilled, local Phoenix beer in 0.65-liter bottles.

Today is "Pay Day", and all tables are occupied by men, much to the unwillingness of their Rodriguan wives. Minko is something like the "Café Sport" of Rodrigues. Maybe not as fancy. But here, too, sailors - in addition to harbour workers and locals – will drink their first beer after a long abstinence at sea. A must for incoming circumnavigators - just like a visit to James Waterstone in Oyster Bay.

Anlauftipp für Unerschrockene: Minko's Bar in der Nähe der Hafenanlagen
Start-up tip for intrepids: Minko's bar near the docks

Source:
Dieser Teil des 20seitigen Artikels von Matthias Muencheberg zu Rodrigues war bis zum 18.April im Handel, siehe Sailing Journal, Ausgabe 1, 2012 
- Abdruck, auch der Fotos, mit freundlicher Genehmigung des Autors Matthias Muencheberg -
 -Englische Übersetzung wie immer Birgit Rudolph -

- Original German article and photo copyright by Matthias Muencheberg -   

See also the album I have started about James & the circumnavigators:


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Liebe Birgit,

was dieser freundliche, ältere Herr in den vergangenen 30 Jahren
in seinen Fotoalben festgehalten hat, ist ja eine fantastische Dokumentation für Rodrigues.
Ein kleines Eiland im Indischen Ozean verbunden mit der großen weiten Welt.

Da bleibt zu wünschen, dass dieser kostbare Schatz irgendwann einmal in der Inselchronik einen würdigen Platz finden wird.
Ich liebe solche Geschichten ganz besonders.
Mit besten Wünschen für den Herrn der Yachten!

Britta-Gudrun

PS. Konnten die Besitzer der "Yacht on the rocks" in Japan eigentlich wieder flott machen ?

Birgit Rudolph/Dirk Krehl hat gesagt…

Liebe Britta-Gudrun,

Danke für deine Worte zu James und seiner tollen Arbeit hier, ich werde es ihm erzählen!

Mir ist es auch ganz wichtig, dass James Dokumentation der Seglergeschichte(n)nicht untergeht. Einige wissen davon mittlerweile, und das ist gut.

Was die Freydis angeht, das ist noch eine lange Geschichte, die ich sicher auch noch schreiben werde. Sie konnte nicht mehr flott gemacht werden, wurde aber mittlerweile gehoben und ich glaube, es fehlt noch Geld um sie dann zu einem Denkmal japanisch-deutscher Freundschaft zu machen, ein Gedenken, das in erster Linie aber immer mit dem Tsunami und seiner vielen Opfer verbunden bleiben wird, aber auch dem Wiederaufbau.

LG

Birgit

Anonym hat gesagt…

Hallo Birgit

Ich habe mit Interesse den Artikel über den "Herrn der Yachten" gelesen - eure Insel beherbergt viele außergewöhnliche Leute. Wünsche dir gute Tage!

Liebe Grüsse
Chris